Vom Apfelstrudel und dem Universum – die großartigste Geschichte

Apfelstrudel.

Was benötigen wir, um einen Apfelstrudel zuzubereiten? – Äpfel, das ist klar. Außerdem brauchen wir Zutaten, wie z.B. Mehl, Zucker, Butter, Eier, Backpulver, Rosinen (oder keine Rosinen – ein ewiger Disput),…
Wo kommen die Äpfel her? – Oh, ich weiß schon: vom Apfelbaum.
Der Apfelbaum, wiederum, ist angewiesen auf ausreichend Wasser, Erde, Luft und Sonnenlicht, nicht zu vergessen eine intakte “Anleitung” für seine Entwicklung und Funktionsweise in Form von DNA.
Woraus bestehen Wasser, Erde, Luft und DNA? – Hmm…schon etwas kniffliger, aber auch darauf habe ich eine Antwort: aus Molekülen.
Also gut, was braucht man nun, um Moleküle zu bilden? – Atome.
Und woraus bestehen Atome? – Die setzen sich aus Protonen und Neutronen (“Atomkernmaterial”) und Elektronen (“Atomhüllenmaterial”) zusammen.
Ein Apfelstrudel bedarf also, streng genommen, nichts weiter als einer ganzen Menge subatomarer Teilchen.

Doch woher kommen diese Teilchen? Wie sind all die Atome des Apfelstrudels entstanden?

Um diese Fragen soll es im Rest dieses Artikels gehen. Wie in meinem letzten Beitrag versprochen, möchte ich euch im Rahmen ihrer Beantwortung eine der faszinierendsten Geschichten näherbringen, die wir Menschen durch die bisherige wissenschaftliche Erforschung der Welt zu erzählen gelernt haben. Dabei werden wir sehen, auf welche fundamentale Weise jeder einzelne von uns mit dem Rest des Universums in Verbindung steht.

“If you wish to make an apple pie from scratch, you must first invent the universe.”
- Carl Sagan

Zu Beginn unserer Geschichte befinden wir uns am Anfang des Universums, am Beginn von Raum und Zeit – mit anderen Worten: beim Urknall vor etwa 13,8 Milliarden Jahren. Was zu diesem “Zeitpunkt Null” genau passiert ist, wissen wir nicht. Die physikalischen Theorien greifen allerdings bereits ab 10-43 Sekunden nach dem Urknall und vermögen, die darauffolgende Evolution des Universums mit herausragender Genauigkeit zu beschreiben. (Übrigens: 10-43 Sekunden = 0,0000000000000000000000000000000000000000001 Sekunde.)
Das gesamte Universum war zu diesem Zeitpunkt kleiner als ein einzelnen Atom, also unvorstellbar dicht und somit richtig, richtig heiß. Durch seine fortschreitende Ausdehnung kühlte es ab, sodass es nach einigen Minuten bereits “kühl” (= ein paar Millionen Grad) genug war, um Atomkerne zusammenhalten zu lassen. Danach dauerte es etwa 380.000 Jahre, bis es wiederum “kühl” genug war, um die Bildung von Atomen (“Kern+Hülle”) zu ermöglichen. Es entstanden vorwiegend Wasserstoff und Helium – die zwei leichtesten Elemente. Als sich nun plötzlich all die Teilchen zu Atomen zusammengeschlossen hatten, war “Platz” genug für die allgegenwärtige Strahlung, um sich ausbreiten zu können. Diese freigesetzte “Reststrahlung” vom Urknall (die “kosmische Hintergrundstrahlung”) wird auch heute noch in allen Richtungen des Alls gemessen, auch wenn sie mittlerweile auf rund -270°C abgekühlt ist.
Nun da das Licht nicht mehr in der Teilchensuppe gefangen war, begann die “dunkle” Zeit des Universums. Es passierte nicht viel mehr als dass sich das atomare Wasserstoff- und Heliumgas aufgrund der gravitativen Anziehung immer mehr zusammenzuklumpen begann, während sich das Universum weiterhin ausdehnte. Für 3,6 Millionen Jahre war es jedoch hauptsächlich finster.
Dann passierte aber etwas Neuartiges: An manchen Stellen hatte sich das Wasserstoff-/Heliumgas so stark zusammengeklumpt und verdichtet, dass die Temperatur in den Kernen dieser Materieansammlungen wieder merklich anstieg – und zwar auf mehr als 10 Millionen Kelvin, was verschiedene Kerne miteinander verschmelzen ließ und enorme Mengen an Energie in Form von Strahlung freisetzte. Die ersten Sterne waren geboren.
Aus all den Sternen entstanden im Laufe der Zeit schließlich Galaxien, Galaxienhaufen, etc.

Expansion_des_Universums_klein
Expansion des Universums und Entwicklungsstadien als Modell (nicht maßstabsgetreu).

Sterne haben allerdings keine unendliche Lebensdauer!
Wenn, vereinfacht gesagt, in ihrem Inneren zwei Wasserstoffkerne zu einem Heliumatom verschmelzen, wird Energie frei. Die entstehende Wärme im Sternkern “drückt” nach außen und verhindert so, dass der Stern unter seiner eigenen Masse in sich zusammenfällt. Thermischer Druck und Gravitationsdruck stehen also in Balance. Ist jedoch der Brennstoff (der Wasserstoff) aufgebraucht, wird im Kern kein Gegendruck mehr erzeugt und die Gravitation nimmt überhand. Der Stern verdichtet sich – und zwar genau so lange, bis Druck und Temperatur im Inneren wieder groß genug sind, um erneut Fusionsprozesse zu zünden – diesmal von schwereren Elementen (z.B. Helium). Es stellt sich ein neues Gleichgewicht aus thermischem und gravitativem Druck ein. Bei etwa 100 Millionen Kelvin werden aus Helium noch schwerere Elemente, wie Kohlenstoff und Sauerstoff erzeugt. Sobald das Helium aufgebraucht ist, wird der Stern erneut komprimiert, bis die nächstschwereren Elemente “verbrannt” werden können.
Ist ein Stern groß genug, wiederholt sich diese Prozedur bis zum “Siliziumbrennen” bei mehr als 2,7 Milliarden Kelvin und einer Kerndichte von 30 Milliarden Kilogramm pro Kubikmeter, bei welchem Eisen entsteht. Wenn der Kern nur mehr aus Eisen besteht, ist Schluss, denn es gibt keine weitere Fusion mehr, bei der Energie entstehen könnte.

Wir nähern uns nun dem dramatischen Ende eines Sterns!
Aufgrund des fehlenden Gegendrucks von Innen (die Fusionsreaktionen haben bei Eisen ja gestoppt) kollabiert der Stern erneut. Die Dichte und die Temperatur steigen rasant an, was bei einer entsprechenden Sterngröße in einer gigantischen Explosion des Sterns endet – einer sog. “Supernova”. Die bei diesem Ereignis auftretenden, dramatischen Kompressionen führen sogar dazu, dass noch schwerere Elemente entstehen. Die Explosion schleudert die äußeren Hüllen hinaus ins All und verteilt das ursprüngliche Sternmaterial in der kosmischen Nachbarschaft.

Crab_Nebula_klein
Überreste einer Supernova – der Krebsnebel

Nun sind wir endlich an jenem Punkt angelangt, der uns die tiefe Verbindung zwischen uns Menschen und dem Universum erfassen lässt, denn wir können die Frage, woher wir kommen, plötzlich in einem ganz anderen Licht sehen und auf eine gewisse Weise sogar tatsächlich beantworten:
Sterne, die vor Milliarden von Jahren in einer gewaltigen Explosion ihr Dasein beendeten, schleuderten ihr Material ins All – Material, das aufgrund der vielen verschiedenen vorhergehenden Fusionsprozesse plötzlich nicht mehr nur aus Wasserstoff und Helium bestand, so wie am Anfang des Universums, sondern nun auch aus schwereren Elementen, wie z.B. Kohlenstoff (unserem “Hauptbestandteil”). Die “Sternenasche” klumpte erneut zusammen und bildete neue Sterne, Planeten, Kometen, Asteroiden, usw. Diese neu entstandenen Formationen enthielten nun jedoch von Anfang an schwere Elemente, die Leben, wie wir es kennen, erst ermöglichten. So gut wie alles, was wir um uns herum sehen, besteht aus Atomen, die einst in Kernen von längst vergangenen Sternen erzeugt wurden. Oder in den Worten des großartigen Carl Sagan:

“The nitrogen in our DNA, the calcium in our teeth, the iron in our blood, the carbon in our apple pies were made in the interiors of collapsing stars. We are made of star stuff.”

Auf eine fundamentale, höchst reale Weise sind wir also mit dem Universum verbunden. Nicht nur befinden wir uns im Universum, das Universum befindet sich auch in uns.
Das nächste Mal, wenn ihr euch im Angesicht der großen Welt klein und verloren fühlt, baut euch mit diesem Gedanken auf – “You are star dust.”

“I look up at the night sky, and I know that, yes, we are part of this universe, we are in this universe, but perhaps more important than both of those facts is that the universe is in us. When I reflect on that fact, I look up – many people feel small, because they’re small and the universe is big, but I feel big, because my atoms came from those stars.”
- Neil deGrasse Tyson

* * *

Nachtrag: Über die Evolution des Universums seit dem Urknall kann man natürlich noch viel mehr erzählen. Meine Darstellung ist nicht nur vereinfacht, sondern auch unvollständig. Mir war es allerdings nur wichtig, ein paar “Eckpfeiler” der Entwicklung zu erwähnen, um den Lesenden einen groben Überblick zu geben.

Text von Sebastian Templ

Beitrag #01 – Wisst ihr, was das Erstaunliche an der Welt ist?

 

FacebookTwitterEmail