Besser als Ostern sei es für manche und definitiv weniger Verpflichtungen als Weihnachten gebe es. Ein Ranking der Feste will ich eigentlich nicht anstellen, denn Pfingsten wird in Attnang-Puchheim, Bezirk Vöcklabruck, sehr speziell begangen. Das Pfingstspektakel, ein Festival/Baseballturnier, sucht seinesgleichen landesweit. Das ist schon mal eine eher ungewöhnliche Kombination, die viele nicht verstehen. Manche aber schon, und diese Leute kommen jedes Jahr. Als Besucher, als Spieler und als Vereinsmenschen, die dafür sehr viel Hingabe aufbringen. Untertags wird Baseball gespielt und dabei zugeschaut (wenn das Wetter passt), nachts gefeiert. Das Pfingstspektakel ist kein Fest des politischen Liedes – obwohl Nazis blöd sind und sie keiner dort mag – und es steht auch kein Benefizgedanke im Vordergrund. (Einige Jahre lang wurde in Vöcklabruck ein Festival für einen -sehr- guten Zweck veranstaltet. Den Namen nenne ich hier aus Gründen mangelnder emotionaler Stabilität nicht. Die meisten kennen sich hoffentlich aus und vermissen dieses). Und, obwohl auch ein sportlicher Wettbewerb ausgetragen wird, geht es auch nicht wirklich ums Gewinnen.
Nein, der Zauber vom Pfingstspektakel äußert sich anders.
„Und es gibt keine Geschenke, keine Ostereier, keinen Weihnachtsbaum, keine Familienfeier. Keine Pfingstenlieder, außer diesem hier.“ (Christoph & Lollo)
Das Spektakel findet am Spitzberg statt, der sich malerisch aus der Stadt (?) Attnang-Puchheim emporhebt und dort oben umgeben von der oberösterreichischen Natur kurartige Luftverhältnisse bietet. (Achtung, von einem Berg kann man auch herunterfallen.) Im verkehrstechnisch gut angebundenen Attnang bleibt der Intercity stehen und viele Baseballteams fahren von weit her um beim Turnier dabei zu sein, das sich Finkstonball Baseball Tournament nennt. Es ist das größte dieser Art in Europa. Über 2000 Spieler, mehr als 80 Teams aus 20 verschiedenen Ländern, haben in den letzten Jahren am Finkstonball teilgenommen. Sprich dutzende Männer in weißen Hosen.
Wie es sich für ein echtes Festival schickt, gibt es auch einen Campingplatz. Es soll ja Leute geben, die sich gar kein Zelt aufbauen, sondern nur ihren Schlafsack mitbringen und sonst nichts. Zur Not schläft man im Kofferraum von Mamas Golf oder lässt sich von dieser abholen, wenn man müde ist. Das ist einer der wesentlichen Vorteile: Zum Duschen und Essen kann man jeden Tag heimfahren, wenn man in der Nähe wohnt. Dort oben gibt es außer den zwei Baseballfeldern, der Veranstaltungshalle und vielen Parkplätzen auch noch ein Freizeitzentrum mit Freibad, das bei gutem Wetter (also tagsüber, räusper) genutzt werden kann.
Viele Leute trifft man nur an diesem einen Wochenende; man teilt Anekdoten vom Spektakel anno 20xx, die den Rest des Jahres kein Publikum finden, bzw. über die man im Alltag gerne den Mantel des Schweigens breitet. Selten geht es in den Gesprächen um den Ernst des Lebens. Manche Teams, wie zum Beispiel die Sissach Frogs aus der Schweiz, sind seit ewigen Zeiten dabei und legendär. Zu dieser speziellen Jahreszeit kommen Wahlwiener in die Heimat zurück, die großstädtische Arroganz wird abgelegt, man darf wieder sein, wie und wer man auch schon mit 16 war.
Ob man Baseball nun mag, versteht und spielt, oder eben nicht, ist nicht wesentlich. Es ist natürlich jede Menge Liebe zum veranstaltenden Team, den Attnang Athletics, vorhanden, die man das ganze Wochenende spürt. Baseball ist außerdem ein Sport, den man sich restfett super anschauen kann. Zuschauerdresscode: der dunkelgrüne Kapuzenpulli mit dem Athletics Logo. Den kann man auch ohne Probleme mehrere Tage und Nächte hintereinander anziehen, die Farbe ist da recht dankbar. Das kulinarische Angebot ist auch erwähnenswert: Es werden Burger gegrillt und wer was Veganes will, muss/darf ein Semmerl mit Kartoffelsalat essen. Unter welchen Umständen würde man diese Geschmackserfahrung sonst machen bitte?
Ich glaube, Pfingsten am Spitzberg kann man sich ein bisschen wie einen alljährlichen Jesolourlaub mit der extended family vorstellen. Man fragt nicht, man genießt, lässt Dinge passieren und redet später nicht mehr darüber. Das trifft auch auf die Getränkeauswahl zu. Bier und alles, natürlich. Aber der echte Pfingstgourmet beschwört mit Schokolikör und Jellyshots den Pfingstspirit, auch Bananenschnaps soll schon gereicht worden sein. Außerdem findet hier der Saure Radler – Bier mit Soda – seine Liebhaber.
Pfingsten hat natürlich, wie jeder gute Christ weiß, mit dem heiligen Geist zu tun und wird immer acht Wochen nach Ostern gefeiert. Für mich markiert es irgendwie immer den Sommeranfang im Kalender, auch wenn’s wegen den Eisheiligen häufig schweinekalt ist. Unter den oben beschriebenen Umständen ereignet sich wirklich das Pfingstwunder: Als dieses bezeichnet man die in der Apostelgeschichte beschriebene wunderbare Fähigkeit der Jünger, in anderen Sprachen zu sprechen – alle verstehen sich unabhängig von ihrer Nationalität und Ethnizität. Es ist hier echt jedem wurscht ob du Wirtschaftsprüfer oder Weltenbummler bist. Viele Besucher und Spieler wissen, wovon ich hier spreche. Sie empfingen plötzlich quasi über Nacht das nötige Vokabular, um sich auf Ungarisch, Tschechisch und Vorarlbergerisch zuzuprosten.
Letzter Grund, warum das Pfingstspektakel geliebt wird: Musik. Generell. Eine auffallende Präferenz für Punk und Mono und Nikitaman wird den Veranstaltern nur von Opportunisten unterstellt, die glauben, das Line Up wäre für das Funktionieren eines solchen Festivals von Bedeutung. Es ist auch egal, welche Musik man den Rest des Jahres gut findet. Außerdem sind jedes Mal viele verschiedene schöne Namen (nicht nur ober-)österreichischer Bands wie Astpai, The Forum Walters, The Burning Aces, Texta, Bauchklang und heuer Erwin&Edwin dabei. Auch The Bones, The Real McKenzies oder Dr. Woggle and the Radio haben den Spitzberg schon beehrt. Cool. Die Publikumsmischung ist immer grandios und wenn man in Vöcklabruck oder Attnang-Puchheim aufwachsen durfte, trifft man bestimmt jemanden, mit dem man in die Volksschule gegangen ist und den man seither nicht mehr gesehen hat, was immer wundervoll ist, weil man dann einen Grund hat, etwas trinken zu gehen. Man ist nie allein, das ist schön.
Das Wichtigste ist am Ende: den Plastikbecher mit dem sauren Radler erheben und den Text kennen, wenn Wham Bam Bodyslam – quasi Haus- bzw. Bergband – alljährlich unter dem Attnanger Sternenhimmel spielen.Vielleicht interpretieren sie auch das berühmte Pfingstenlied. Ja, es gibt sogar eine eigene Hymne, so gut ist dieses Fest.
Ihr hättet euch diesen Artikel gar nicht durchlesen brauchen, Christoph & Lollo sagen eh alles mit diesem Lied:
„Denn es ist Pfingsten, unser Lieblingsfest, denn im restlichen Jahr sind wir genug gestresst“
(Wham Bam Bodyslam spielen heuer Sonntagabend, openair, beim Spielfeld)
Darum geht es: Wenig stressen. Die Organe baumeln lassen. Entspannen. Wer noch nicht überzeugt wurde: Es soll auch hin und wieder einen Flitzer geben, der über das Feld rennt! Und Cheerleader! Und Maskottchen! Ich kann mit dem Schwärmen fast nicht mehr aufhören und merke gerade, dass es schon da ist, dass der Countdown vorbei ist und das Fest der Feste ansteht. Es wird regnen und kalt sein aber es wird die wenigsten arg stören. Letztlich nützt jegliche Überzeugungskunst eigentlich nichts, ist die Pfingstenerfahrung doch eine sehr sentimentale, die jeder selbst (jährlich) machen muss, und manchmal nicht ausschließlich positiv. Aber man erinnert sich halt lieber der heiteren Stunden. Wenn man weder mit Sport, Trinken, Musik noch mit lieben Leuten etwas anfangen kann, darf man daheim in Wien/Berlin/London/Graz bleiben und unbekümmert die Contenance bewahren, sonst nicht.
Frohes Pfingsten!
http://www.pfingstspektakel.com/
http://www.finkstonball.com/
Text und Fotos von Pia Gärtner / Attnang Athletics